Informationen für Ärzt*innen

Auswirkungen einer Vergewaltigung

Eine Vergewaltigung ist ein traumatisches Ereignis, das einen tiefen Einschnitt im Leben der betroffenen Frau bedeutet. Jede Frau reagiert darauf anders. Nicht selten reagieren die Frauen auf die Vergewaltigung mit einem Schock.

Diese Phase dauert in aller Regel einige Stunden bis hin zu mehreren Tagen, manchmal Wochen. Das Verhalten in dieser Phase kann sehr unterschiedlich sein. Manche Frauen wirken sehr ruhig, unberührt, fast überkontrolliert und zeigen nahezu keine Gefühlsregungen. Es kommt zu paradox wirkendem Verhalten, z.B. lächelndem Erzählen von der Vergewaltigung. Andere wiederum sind sehr erschüttert, ängstlich, weinen oder sind verwirrt.

Manche Frauen brechen unter dem Druck der während der Vergewaltigung zurückgehaltenen Gefühle zusammen. Andere wirken sehr aggressiv. Gemeinsam ist den betroffenen Frauen das Gefühl der Angst, der Ohnmacht, der Demütigung, der Erniedrigung und Beschmutzung.

Nach einer Vergewaltigung kann es zur Bildung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kommen, die sich u.a. darin zeigt, dass das Trauma immer wieder in ungewollten Erinnerungen oder Träumen auftaucht, sowie durch Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die an das Trauma erinnern könnten und durch einen Zustand innerer Übererregtheit, der zu Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit etc. führen kann.

Auch psychosomatische Beschwerden können zurückliegende Gewalterfahrungen als Ursache haben. Diese werden häufig von den betroffenen Frauen nicht mit der Gewalt in Zusammenhang gebracht. Nicht jede Vergewaltigung geschieht unter Einsatz körperlicher Gewalt.

Hinweise für den Umgang mit der Patientin

Vergewaltigte Frauen erleben eine körperliche Untersuchung – auch dann, wenn sie einfühlsam und sachlich durchgeführt wird - immer als große Belastung.

Ihr Körper stellt in ihrer Wahrnehmung wie in der Gewaltsituation einen Gegenstand dar, es wird erneut in ihn eingedrungen. Gefühle der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins, die mit der Gewalttat verbunden sind, können dadurch mobilisiert werden und zu einer weiteren Traumatisierung der Frau führen.

Um dem labilen psychischen Zustand der Patientin gerecht zu werden, haben sich folgende Hinweise als hilfreich erwiesen:

  • Der Patientin sollte möglichst viel Kontrolle über die Situation zugestanden werden.
  • Deshalb empfiehlt es sich, sie über alle Untersuchungen sowie über deren Zweck (z.B. Beweissicherung, gesundheitliche Vorsorge) umfassend zu informieren und jeweils um ihr Einverständnis zu bitten.
  • Junge Mädchen sollten gefragt werden, ob dies ihre erste gynäkologische Untersuchung ist.
  • Fragen Sie nach der emotionalen Befindlichkeit und vermitteln Sie der Patientin, dass ihre Reaktion verständlich und angemessen ist. Lassen Sie die Frau entscheiden, was und wie viel sie erzählen möchte.
  • Glauben und respektieren Sie die Wahrnehmungen der Frau. Machen Sie deutlich, dass auch Sie Gewalt verurteilen, damit unterstützen Sie die Patientin, Vertrauen wieder aufzubauen. Vermitteln Sie der Frau, dass sie sich weder schuldig fühlen noch dafür schämen muss.
  • Längere Wartezeiten sollten möglichst vermieden werden. Wenn Sie es einrichten können, sprechen Sie allein in möglichst ungestörter Atmosphäre mit der Patientin.
  • Manche Frauen sprechen die Vergewaltigung nicht an, sondern fragen nach der „Pille danach“, äußern die Befürchtung, sich mit HIV oder einer Geschlechtskrankheit infiziert zu haben. Für diese Frauen kann es entlastend sein, wenn Sie Gewalt als möglichen Hintergrund benennen. Es signalisiert der Frau, dass Sie mit der Problematik vertraut sind. Fragen Sie behutsam nach, machen Sie ihr Mut, mit Ihnen darüber zu sprechen und sich ggf. bei entsprechenden Beratungseinrichtungen Hilfe zu holen.
  • Häufig ist es sinnvoll, die Patientin für einige Tage arbeitsunfähig zu schreiben.

Weiterführende Hilfestellungen

Für weitere Unterstützung, psychosoziale Beratung, bei Bedarf Informationen zur Anzeigeerstattung und zum Strafverfahren, Weitervermittlung an Rechtsanwält*innen, Begleitung zur Polizei, psychologische Betreuung, etc. können Sie die Patientin an den Frauen und Mädchen Notruf Speyer, Telefon 06232 – 2 88 33, weiterverweisen.